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Was wäre, wenn Demokratie in Schulen kein Projekt wäre – sondern Alltag?

  • Autorenbild: Florence Bernhard
    Florence Bernhard
  • 6. Nov.
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 7. Nov.

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Meine Eindrücke aus der Demokratischen Schule Fokus in Arlesheim


Schon beim Ankommen habe ich gemerkt: Diese Schule baut auf Beziehung, Beteiligung und Vertrauen. Die Räume unterstützen das – sie sind vielfältig und einladend:

Ateliers für Kunst und Werken, ein Tanzraum mit Spiegelwand, ein Garten, der zum Bewegen, Spielen und Forschen einlädt, Lernräume statt Klassenzimmer, eine Bibliothek, Rückzugsorte und sogar ein Kino!


Doch das Entscheidende liegt weniger in der Architektur als in der Haltung: Jeder Mensch wird ernst genommen. Jede Stimme hat Gewicht. Demokratie ist hier keine Zusatzidee, sondern Grundlage des Zusammenlebens.

In der Demokratischen Schule Fokus wird Verantwortung geteilt, Mitgestaltung selbstverständlich gelebt und Lernen als gemeinsamer Prozess verstanden.

Schüler:innen moderieren Versammlungen, führen Protokolle, bringen Anliegen ein und gestalten Regeln mit. Demokratie ist kein Unterrichtsgegenstand – sie ist Praxis.


Ein anderer Umgang mit Zeit: Kernanwesenheit statt Taktung

Besonders eindrücklich war für mich, wie Zeit hier gedacht wird. Statt eines Stundenplans mit festen 45-Minuten-Lektionen gibt es eine Kernanwesenheitszeit von 9.30 bis 15.00 Uhr. In dieser Zeit sind alle da – davor und danach entscheiden die Lernenden selbst, wann sie kommen und wann sie gehen.


Dabei gilt ein Prinzip, das für viele Schulen bereits ein Paradigmenwechsel wäre: Freiheit braucht Verbindlichkeit. Wer kommt, trägt sich ein. Nicht zur Kontrolle – sondern zur Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft.


Innerhalb dieses Rahmens planen die Lernenden ihren Tag selbst: arbeiten an Projekten, vertiefen sich in Themen, besuchen Ateliers, spielen, kochen, lesen, üben, diskutieren, reflektieren. Der Rhythmus entsteht aus dem Lernen – nicht aus einem Stundenplan.

Die Frage, die mich dabei begleitet hat: Wie würde sich Lernen verändern, wenn wir Lernzeit nicht mehr einteilen, sondern gestalten würden?


Lehrplan 21 als „Laufbahn“ statt als Taktgeber

Ich habe oft gehört: „Demokratische Schulen sind schön – aber wie machen sie das mit dem Lehrplan?“ Die Schule Fokus hat darauf eine klare Antwort: Sie erfüllen den Lehrplan über die ganze Schullaufbahn, nicht über Lektionen.


Die Kompetenzen des Lehrplan 21 werden nicht in Fächern abgearbeitet, sondern über die gesamte Schulzeit hinweg aufgebaut, erlebt und reflektiert. Nicht jede Kompetenz zu einem festgelegten Alter – sondern dann, wenn sie im Lernprozess sinnvoll wird.

Das ist nicht weniger anspruchsvoll – es ist anders anspruchsvoll. Es braucht Dokumentation, Resonanzräume, Feedback-Schlaufen, Mentoratsgespräche und eine hohe Klarheit darüber, was Lernen eigentlich ist.


Medienkompetenz als Verantwortung, nicht als Verbot

Ein weiterer Aspekt, der mich beeindruckt hat, war der Umgang mit Medien. Vor einigen Jahren hat die Schule gemerkt: Die digitale Nutzung lief zu schnell, zu viel, zu unreflektiert. Statt ein Handyverbot auszurufen, wurde das System verändert.

Heute gilt:

  • Mediennutzung ist erst ab ca. 9 Jahren möglich

  • Nur mit Medienzertifikat, nach einem intensiven Kurs

  • Das eigene Gerät bleibt eingeschlossen, bis es bewusst genutzt wird

  • Digitale Nutzung ist sichtbar, nicht heimlich – und immer begründet

Diese Haltung dreht die gängige Logik um: Nicht Erwachsene setzen Regeln und kontrollieren – Kinder erwerben Kompetenz und übernehmen Verantwortung.


Inklusion als Grundannahme

An der Schule Fokus wird nicht gefragt, ob jemand „passt“. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass alle dazugehören – und dass die Aufgabe der Schule ist, Räume der Teilhabe zu ermöglichen, nicht der Anpassung.

Inklusion heisst hier nicht: „Alle dürfen dabei sein.“ Sondern: Alle gestalten mit.

In Entscheidungen, in Konflikten, im Lernen, in der Verantwortung für das gemeinsame Leben.


Kein Sondermodell. Keine Kleingruppenlogik. Eine einfache, aber anspruchsvolle Haltung:„Wir tragen das gemeinsam.“


Demokratie als Alltag

Demokratie ist eine Haltungs- und Beziehungskultur, die in der Kindheit wurzelt.

Wer als Kind erfährt, dass die eigene Stimme zählt, stellt sie als Erwachsene:r nicht in Frage. Wer erlebt, dass Verantwortung geteilt wird, lernt, Verantwortung zu tragen. Wer sich sicher fühlt, kann sich beteiligen.


🎒 Was ich mitnehme:

Demokratie entsteht, wo Menschen Verantwortung übernehmen dürfen.

Beziehung entsteht, wo Vertrauen vorausgeht.

Lernen entsteht, wo beides zusammenkommt.

Das fühlt sich nicht nach Konzept an – sondern nach Kultur.


Ein weiterer Rucksackmoment auf meiner #inklusivenLernreise🎒.


Danke dem Team der demokratischen Schule Fokus für den warmen, herzlichen Empfang!


 
 
 

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